Gelebte Tradition

Was in Köln und Mainz das Alaaf und Helau, ist im Südwesten Deutschlands das Narri Narro. In der Fasnet, wie der Karneval oder Fasching hier heißt, ist dies bei den Umzügen und Festen zu hören. So auch im oberen Wiesental und dem dort liegenden Todtnau. Hier kommen in der fünften Jahreszeit gleich zwei alte Traditionen zusammen: die Fasnet und die Bürsten- und Besenbinder, ausgedrückt in charakteristischen Fasnetsfiguren. Im Bürstenmuseum in Todtnau sind beides zentrale Themen.

Auch das ein Stück Todtnauer Fasnet-Tradition: In den 1950er Jahren bauten die Todtnauer Firmen die Umzugswagen für den Rosenmontag und nicht wie heute die Zinken. So hatte die Firma Zahoransky die Idee, einen Wagen zu bauen in dem oben ganze Schweine und dicke Baumstämme eingeworfen wurden und unten kamen Holzbürsten mit Schweineborsten bestückt und alle Arten von leckeren Würsten heraus. (Quelle: B.H.D. – Foto: Benno Dörflinger)


Bei den Todtnauer Bürsten- und Besenbindern handelt es sich um eine Häsgruppe (Häs = alemannisch für Kleidung, Verkleidung), die seit 1960 die Todtnauer Fasnet mit einem bunten Häs bereichert. Die Gruppe hat zwei Figuren: den Bürstenbinder, der in Strohfinken, schwarzer Hose und blauem Hemd eine große Hutte und einen langen Besen trägt. Er symbolisiert den Lorenz Wunderle und all die anderen Bürstenhändler, die von Todtnau aus die Welt bereist haben. An seiner Hutte (dem großen Korb, in dem der Händler die Bürstenwaren auf dem Rücken trug) finden sich Beispiele der Bürstenmacherkunst. Zwei dieser Bürstenbinder sind an Fasnet in der Gruppe unterwegs.

Die zweite Figur sind die zehn Bäse (Besen), die mit dem Bürstenbinder die fastnächtlichen Straßen unsicher machen. In bunten Röcken und Blusen gekleidet, hört man die Besen schon von weitem: Ein Gurt mit Schellen verschiedener Größen verleiht jedem Schritt und Sprung der Bäse einen eigenen Klang. In der Hand tragen die Besen eine Riesenbürste, die so manchem Zuschauer am Rande von Umzügen schon eine schöne Frisur beschert hat.

Beide Figuren haben schöne Holzmasken – mit einer sehr seltenen Eigenheit: Sie haben bewegliche Kiefer. Diese können nur mit höchster Schnitzkunst gefertigt werden und somit ist jede Maske ein Unikat.

In der langen Zeit, in der diese Traditionen gepflegt werden, haben sich viele eigenständige Besonderheiten entwickelt, so auch diese bei den Bürsten-und Besenbindern: An Fasnet werden viele Gutsele (alemannisch für Süßigkeiten/Bonbons) und andere Süßigkeiten an die Kinder verteilt. Die Hutten der Bürstenbinder aber sind an Umzügen randvoll mit Zahnbürsten gefüllt, welche an den Umzügen, passend zur Figur, an die Kinder verteilt werden – um allzu große Schäden durch zu viel fastnächtlichen Zucker zu verhindern.

Seit dem 150. Jubiläum der Todtnauer Fasnet im Jahre 2010 gesellt sich eine weitere Figur zu den Todtnauer Narren: Mit “s’Nesslers” wird auch mit einer Häsfigur dem aus Todtnau stammenden Karl Ludwig Nessler, der Erfinder der Dauerwelle, gedacht: Seine Frau Katharina führt an den Umzügen die Lockenwickler im Haar vor, während Karl die dazugehörige Dauerwellenzange trägt.

Die Themen dieser Todtnauer Fasnets-Tradition finden sich im Bürstenmuseum in Todtnau – für alle, die nicht das besondere Erlebnis genießen können, während der Fasnet im oberen Wiesental zu sein.

www.todtnau.museum

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