Für den Nachwuchs engagieren

Der Fachkräftemangel ist eines der Themen, die aktuell in nahezu jedem Gespräch mit Unternehmern zur Sprache kommen. Ein Mosaikstein, diesem entgegenzuwirken, ist die Ausbildung kommender Generationen. Das gilt auch für die Pinsel- und Bürstenbranche. Deshalb sprachen wir mit Ingo Ludwig, Fachlehrer für Bürsten- und Pinselmacher an der Staatlichen Berufsschule Dinkelsbühl, über die aktuelle Situation.

Ingo Ludwig, Fachlehrer für Bürsten- und Pinselmacher an der Staatlichen Berufsschule Dinkelsbühl

Die Produktion von Pinseln und Bürsten unterliegt kontinuierlichen Veränderungen. Ist die Ausbildung darauf eingestellt, wie aktuell sind die Inhalte?

Die Ausbildungsordnung zum Bürsten- und Pinselmacher und zur Bürsten- und Pinselmacherin aus dem Jahr 1984 hat im Jahr 2017 eine Modernisierung erfahren. Diese Veränderungen in der Berufsausbildung war strukturell und inhaltlich erforderlich, um technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Veränderungen und Entwicklungen in der Bürsten- und Pinselherstellung gerecht zu werden. Auch wenn heute noch Bürsten und Pinsel nach wie vor in einem hohen Maß handwerklich hergestellt werden, so haben sich technische Veränderungen im Sinne einer zunehmenden Automatisierung ergeben, die eine Anpassung von Ausbildungsinhalten sowie von Prüfungsbestimmungen dringend erforderlich machten. Mit der zunehmenden Produktvielfalt und -differenzierung sind die Anforderungen an die Bedienung von Produktionsanlagen deutlich gestiegen. Trotzdem ist es natürlich nach wie vor sinnvoll, die handwerklichen Grundfertigkeiten zu erlernen und zu beherrschen.

Sind die entsprechenden Ausstattungen am Lernort denn gegeben oder sind Sie hier auf theoretischen Unterricht oder ggf. Firmenbesuche angewiesen?

Die Auszubildenden werden an zwei Standorten unterrichtet, zum einen in der Praxiswerkstatt der Bürsten- und Pinselmacher, die im Rathaus Bechhofen angesiedelt ist, zum anderen in der Berufsschule in Dinkelsbühl. Hier werden die Azubis in den fachspezifischen Theoriefächern beschult, da in Bechhofen die Räumlichkeiten der Berufsschule im Jahre 2018 aufgelöst wurden. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Bürsten- und Pinselmacherabteilung in die Abteilung der Kunststoffverfahrenstechniker an der Staatlichen Berufsschule Dinkelsbühl integriert.
In Bechhofen, als traditionsreichem Zentrum der Pinsel- und Bürstenindustrie, verblieben ist, wie gesagt, die Praxiswerkstatt. Diese wurde sukzessive mit der Technik für einen zeitgemäßen Unterricht wie beispielsweise Beamern oder einer Dokumentenkamera ausgestattet. Ebenso wurden eine neue Pinselpresse und Ausputzautomaten angeschafft. In der Praxiswerkstatt werden zum einen die traditionellen Handgriffe des Bürsten- und Pinselmacherhandwerks gezeigt und gelehrt, zum anderen werden auch die technischen Inhalte im Hinblick auf industrielle Maschinen und Anlagen, wie im Fach Steuerungstechnik, zwei Jahre lang mit unterrichtet. Es erweist sich heutzutage als sehr großer Vorteil für unsere Industrie, wenn ein ausgebildeter Bürsten- und Pinselmacher sich mit industriellen Anlagen zur Herstellung von Pinseln und Bürsten auskennt.

Die Praxiswerkstatt im Rathaus in Bechhofen.

Wie hoch ist denn die Nachfrage nach einer Ausbildung zum Pinsel- und Bürstenmacher aktuell, welche Entwicklung hat sich in den letzten Jahren gezeigt?

In den letzten Jahren gab es in den Ausbildungsjahrgängen und auch bei der Zahl der absolvierten Gesellenprüfungen ein stetiges Auf und Ab. Wir sind froh, dass wir nach den Jahren 2021 und 2023 mit jeweils nur einer Gesellenprüfung jetzt wieder eine Konstanz bei fünf Auszubildenden in den aktuellen Jahrgängen an unserer Schule haben. Für uns zeigt sich darin, dass sich ein Engagement von Firmen und eine Werbung für den Beruf auszahlen. So wissen wir von Firmen aus dem Umkreis, dass Schulbesuche in Abschlussklassen durchgeführt werden, um den Ausbildungsberuf vorzustellen und dass interessierte Schülerinnen und Schüler zu einem Praktikum eingeladen werden. Solche Maßnahmen können dabei helfen, unsere Azubizahlen auch weiterhin konstant zu halten.

Welche Initiativen gibt es darüber hinaus, den Beruf bekannter zu machen und welche Unterstützungsmaßnahmen würden Sie sich dabei ggf. von der Industrie wünschen?

Das Staatliche Berufliche Schulzentrum in Dinkelsbühl nimmt mindestens einmal im Jahr an einem sogenannten MuBiK-Tag (MuBiK = Mittelschulen und Berufsschulen in Kooperation) teil. Dort stellen unsere Auszubildenden die Ausbildungsberufe am Standort Dinkelsbühl direkt in unserem Schulzentrum vor und stehen den Interessierten Rede und Antwort. Diese Veranstaltungen erzeugen in der Regel ein großes Interesse bei den Jugendlichen in der direkten Umgebung.
Wünschenswert wäre sicherlich eine stärkere Teilnahme an Berufsmessen von den Branchenunternehmen in der Region. Hier wären auch Kooperationen denkbar, dass wir mit unseren Azubis dabei mitwirken. Ebenso wären Betriebsbesichtigungen für Abschlussschülerinnen und -schüler oder auch Umfragen an den Schulen Optionen.
Eine andere Möglichkeit sehe ich in den Sozialen Netzwerken und den Kanälen, die von den Unternehmen – oder auch dem Verband – dort genutzt werden. Hier könnte mit Kurzvideos der Beruf vorgestellt oder persönliche Aussagen von Auszubildenden über den regionalen Rahmen hinaus wirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Aktivitäten Früchte tragen können, da zum Beispiel die Rückmeldungen auf den handwerklichen Aspekt und die geregelten Arbeitszeiten, die wir am MuBiK-Tag erhalten haben, sehr positiv waren.

Präsentation des Ausbildungsganges am MuBiK-Tag. (Fotos: Ludwig)

Ist der Beruf bei Jugendlichen denn bekannt und was kann sie motivieren, den Beruf zu ergreifen? Was wirkt dagegen als Hemmnis?

Die meisten Schülerinnen und Schüler wissen, wie viele Menschen überhaupt, nicht, dass es den Ausbildungsberuf des Pinsel- und Bürstenmachers überhaupt noch gibt, wenn sie – ich will es einmal so sagen – keinen Draht zu jemandem haben, der in der Branche tätig ist. Oft stößt daher der Beruf, das sind unsere Erfahrungen, durchaus auf Interesse, weil er den handwerklichen Aspekt mit einem Stück Exklusivität verbindet. Oft wird auf unseren Informationstagen dann sehr detailliert nachgefragt, zum Beispiel, ob echte Tierhaare verarbeitet werden und welche Techniken zu Einsatz kommen. Oft sind es aber auch die sozusagen normalen Fragen wie die nach der Dauer der Ausbildung, den Verdienstmöglichkeiten oder den Arbeitszeiten.
Auch wenn bei den Schülerinnen und Schülern Interesse für den Ausbildungsberuf besteht, sind es oft doch die normalen Schwierigkeiten, die dazu führen, andere Einstiege zu wählen. In unserer Region ist dies konkret oft die Situation des ÖPNV und die ländliche Lage vieler Ausbildungsbetriebe ohne eine Anbindung. Vielleicht müssen Betrieb, wenn die Kommunen hier nicht weiterhelfen, eigene Ideen wie einen Shuttleservice oder anderes entwickeln.

Wie ist es um die Karrieremöglichkeiten als Pinsel- und Bürstenmacher/in bestellt, was ließe sich verbessern?

Die Möglichkeiten steigen natürlich mit der Weiterbildung nach dem Gesellenbrief deutlich an. So besteht zum Beispiel die Option, nach dem Gesellenbrief noch eine zweijährige Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer zu durchlaufen. Gerade für Betriebe mit Automatisierungstechnik sind solche Mitarbeitenden sehr interessant, da jemand, der aus der Anlagentechnik kommt, nicht unbedingt weiß, wie ein perfekter Pinsel oder eine perfekte Bürste auszusehen hat. Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit, durch das Erreichen der Mittleren Reife die weitere Ausbildung zum Betriebswirt oder ein Studium zu absolvieren. Hier sind sicherlich flexible Angebote von Unternehmen, duale Ausbildungsgänge oder eine unterstützte Weiterbildung anzubieten, hilfreich, den Beruf des Pinsel- und Bürstenmacherin und -machers attraktiver zu gestalten.

Ingo Ludwig: “Das Schönste an diesem Ausbildungsberuf sind die sehr hochwertig und künstlerisch gestalteten Gesellenstücke, die mich immer wieder begeistern und mich auch mit Stolz erfüllen.”

www.bs-dkb.de

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