Den Vorsprung halten
In schneller Folge stellt die Zahn Pinsel GmbH aus Bechhofen ihre Neuheiten vor. Dies sind teilweise Sortimentsergänzungen, dazu gehören aber auch Bürsten und Pinsel, die neue Anwendungsfelder erschließen oder bisher nicht verwendete Materialien zum Einsatz bringen. Über die Strategie eines innovationsgetriebenen Mittelständlers sprachen wir mit dem Geschäftsführer Daniel Zahn.
brushinsights: Wie lange dauert es, Neuheiten zu entwickeln und haben Sie in Ihrem Unternehmen dafür besondere organisatorische Abläufe entwickelt?
Daniel Zahn: Bei einem Produkt geht dies schneller, bei einem anderen dauert es etwas länger – eine durchschnittliche Zeitspanne lässt sich nicht festlegen. Wichtig ist es für uns, dass wir uns kontinuierlich mit der Entwicklung von Neuheiten beschäftigen und den schnellen Rhythmus unserer Neuheitenpräsentation nicht abreißen lassen. Deshalb haben wir ein festes Team von Mitarbeitenden, die sich regelmäßig treffen, die aber alle auch andere Tätigkeiten im Haus erfüllen. Der Anteil der Produktentwicklung bei den einzelnen Mitarbeitenden liegt im Schnitt bei etwa 15 Prozent. Wir haben uns auch bewusst gegen eine eigene Entwicklungsabteilung entschieden, um Produkte zu erzielen, die von vorne herein produzierbar, praxistauglich und marktgerecht sind.
Welchen Anteil haben bei Ihnen Neuheiten am Umsatz?
Wir brauchen die Neuheiten, um ein Wachstum generieren zu können. Bei einem durchschnittlichen Rückgang von Aufträgen von etwa 15 Prozent durch Geschäftsaufgaben der Kunden, Übernahmen oder schlicht einem Ersatz unseres Produktes schaffen wir es, durch ein Wachstum durch die Neuheiten, das über diesem Anteil liegt, die Unternehmensentwicklung stabil zu halten. Wenn man aber bedenkt, dass die Erfolgsquote bei den Neuheiten bei etwa 20 Prozent liegt, lässt sich erkennen, dass es einer hohen Zahl von Neuheiten bedarf, um das ganze System am Laufen zu halten. Der strategische Ansatz einer Neuheitenführerschaft fordert von uns also ein kontinuierlich hohes Tempo.
Woher kommen die Ideen für Neuheiten?
Für die Entwicklung neuer Produkte gibt es verschiedene Ansätze, die wir verfolgen. Der Ansatz mit den höchsten Erfolgsaussichten ist die gemeinsame Produktentwicklung zusammen mit Kunden. Dies können sowohl bestehende Kunden sein als auch Neukunden, die mit konkreten Produktanfragen an uns herantreten. Ein zweiter Ansatz sind Verbesserungen an bestehenden Produkten, die sich durch veränderte Prozesse oder auch andere Materialien ergeben. So werden beispielsweise neue Filamente eingesetzt, um vegane Produkte anbieten zu können. Teilweise reagieren wir hier auf Neuentwicklungen, die uns Lieferanten anbieten. Und ein dritter Weg ist die Erschließung neuer Anwendungsbereiche, wie zum Beispiel einer Serie von Baristapinseln für den Einsatz bei der professionellen und semiprofessionellen Espresso- und Kaffeespezialitätenzubereitung. Diese unterschiedlichen Ansätze zu erkennen und zu einem umsetzbaren Produkt zu führen, ist unser Know-how, mit dem wir, neben anderen Faktoren, als Private Label-Anbieter unsere Kunden binden.
Gibt es Alternativen zur Strategie der Neuheiten- bzw. Innovationsführerschaft?
Als Hersteller muss man sich entscheiden, wie man sich im Markt positioniert und erfolgreich agiert. Die Alternative zu einer Differenzierungsstrategie, wie wir sie mit unserer kontinuierlichen Vorstellung von Neuheiten und der Erschließung neuer Bereiche verfolgen, wäre es, auf eine Kostenführerschaft zu setzen. Der Versuch, eine solche Positionierung erfolgreich durchzusetzen, ist mit einer Produktion in Deutschland mit den hohen Energiekosten und nicht zuletzt dem hohen bürokratischen Aufwand aus unserer Sicht nicht leistbar. Da wir auch häufig kundenorientiert in Kleinserien produzieren, ist der Anteil der Handarbeit bei uns hoch und eine Kostenführerschaft über Automatisierung zu erreichen nicht möglich. Deshalb müssen wir uns über einzigartige Produkte und den Vorsprung, den wir dadurch am Markt haben, differenzieren und können damit eine Marge erzielen, die uns aktuell noch in die Lage versetzt, weiter hier am Standort zu produzieren. Aber dies bedeutet auch, in diesem Wettlauf immer an der Spitze sein zu müssen.
Wie lange dauert es denn, bis Produkte Nachahmer finden?
Da wir uns in den allermeisten Fällen mit unseren Produkten in einem Nischenmarkt bewegen, ist es für Nachahmer natürlich immer die Frage, ob sich ein Einstieg in das jeweilige Segment oder das spezielle Produkt lohnt. Aber natürlich: Produktideen lassen sich schnell aufgreifen und teilweise werden diese auch eins zu eins umgesetzt, auch wenn wir versuchen, die Hürden für solche Nachahmungen hochzulegen. Aber hier sind die Möglichkeiten, Stichwort Gebrauchsmuster, begrenzt oder aber teuer, Stichwort Patente. Unser Ansatz ist es deshalb, mit einer perfekten Funktionalität zu punkten und Elemente einzubinden, die es erschweren, ein identisches Produkt zu erstellen – vor allem im Bereich der Zusammensetzung der Rezepturen, der Textur oder Faserspezifikationen.
Kann die Digitalisierung oder KI bei der Sicherung einer Innovationsführerschaft helfen?
Digitalisierung und KI wird zu einem immer wichtiger werdenden Element in der Strategie. Während bei der eigentlichen Produktentwicklung der Einsatz erst sukzessive ausgeweitet wird, sind die Fortschritte in der Produktion heute schon groß und sie helfen uns, als Manufaktur Prozesse zu verbessern und zu beschleunigen. Wir setzen KI derzeit in der Entwicklungsphase vor allem im Bereich des Designs aber auch bei der Namensentwicklung für den internationalen Markt ein und haben dabei eine inspirierende Trefferquote. Im Bereich der Produktion hält die Automatisierung inklusive KI in verschiedenen Teilschritten Einzug. Nehmen Sie zum Beispiel die Zuführung von Pinselstielen. Heute ist es möglich, dass die Farbe, die Position und die Form der Stiele erkannt wird und keine mechanische Vereinzelung mehr notwenig ist – eine Fähigkeit, die vor fünf Jahren noch nicht realisierbar gewesen wäre und die sich durch die selbstlernenden Systeme weiter verbessern wird. Trotzdem muss natürlich immer entschieden werden, inwieweit die Investitionen in die neueste Technologie sinnvoll sind.
Wie sehen Sie denn die weitere Entwicklung der Branche insgesamt?
Wir stehen vor einer neuen Wirklichkeit, die unsere Industrielandschaft insgesamt betrifft. Die Rahmenbedingungen, die wir in Deutschland mit hohen Steuern und Energiekosten, mit einer Überregulierung und fehlenden qualifizierten Arbeitskräften vorfinden, müssen wir als Unternehmen überkompensieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Verschiedene Hersteller auch aus dem Mittelstand ziehen daraus die Konsequenz, ihre Produktionen nach Osteuropa oder Asien zu verlegen. Dies ist für uns keine Alternative, da wir an den Standort Deutschland glauben und auch im Sinne unserer Mitarbeitenden mit dem Standort verbunden sind. Deshalb müssen wir versuchen, uns von den Rahmenbedingungen so weit wie möglich unabhängig zu machen und optimistisch zu bleiben – womit wir wieder bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens wären. Mit der Situation selber, die uns in einen immer stärkeren Wettbewerb zwingt, können wir aber nicht zufrieden sein.
Sie sind auch im VDPB aktiv, wie kann der Verband bei diesen Strategien unterstützen?
Neben den vielfältigen Leistungen, die der Verband bereitstellt, ist er als Interessenvertretung gegenüber der Politik von großer Bedeutung und wird dies auch weiterhin sein. Gegenüber der Politik muss immer wieder auf die Situation der mittelständischen Industrie hingewiesen werden. Dies hat bei einem Verband in vielen Fällen ein größeres Gewicht, als es bei einzelnen, gerade mittelständischen Unternehmen der Fall ist. Um das Gewicht noch einmal zu vergrößern, sind vor allem auch weitere Kooperationen der Interessenvertretung auf europäischer Ebene wichtig.