Schwarzwälder Tradition

Bei der Bürstenfabrik Keller in Todtnau wird Nachhaltigkeit gelebt, und das bereits seit fünf bzw. sechs Generationen. Die traditionellen Werte eines Familienunternehmens erweisen sich zunehmend als wichtiger Faktor, sich im internationalen Wettbewerb zu positionieren, aber auch, um aus einem breiten Angebot aus potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auswählen zu können. Wie dies alles zusammenhängt, haben wir im Gespräch mit Jasmin und Johannes Keller erfahren.

Das Firmengebäude der Bürstenfabrik Keller GmbH in Todtnau. (Fotos: Bürstenfabrik Keller)

Jasmin und Andreas Keller führen den Betrieb in der 5. Generation, die Söhne Johannes und Philip sind bereits im Unternehmen und somit die 6. Generation, die zukünftig die Geschäfte mitführen wird. Den Begriff der Nachhaltigkeit mag man bei Keller Bürsten nicht so gerne, werden doch unter diesem immer wieder Aspekte eingeordnet, die im Verständnis von Jasmin und Johannes Keller eher dem Marketing dienen als der wirklichen Idee der Nachhaltigkeit. „Wir haben immer schon versucht, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften“, beschreibt Jasmin Keller als Vertreterin der fünften Unternehmergeneration den Ansatz des Todtnauer Unternehmens. Dazu gehörten die Nutzung der Wasserkraft von Beginn an genauso wie die Verwendung von zertifiziertem Holz aus der Region, die Wärmeproduktion aus den eigenen Holzabfällen oder inzwischen auch der großflächigen PV-Anlage zur Energiegewinnung. Vieles davon wurde bereits vom Großvater von Andreas Keller angestoßen.

Nahezu 75 Prozent des eigenen Energieverbrauchs produziert das Unternehmen selber. „Gerne hätten wir auch die Wasserkraft wieder aktiviert, zumal die Wasserrechte noch vorhanden sind“, berichtet Johannes Keller als Vertreter der sechsten Keller-Generation, „aber die Auflagen und immer neuen Vorschriften und bürokratischen Vorgaben erschweren die Nutzung so sehr, dass es sich einfach nicht mehr lohnt.“

Aufgrund solcher Widrigkeiten und einer sich verändernden Marktsituation auf Produkte zu setzen, die den Keller-Ansprüchen nicht genügen, kommt für die Schwarzwälder Unternehmer nicht in Betracht. Es sollen schöne Produkte sein, die die Werte des Unternehmens widerspiegeln. Dazu gehört auch, bei alternativen Materialien einen Schritt weiter zu gehen: Wildschweinborsten durch Kunststoff zu ersetzen, um den Stempel vegan zu erhalten, ist für die Kellers keine Alternative. Ein Forschungsprojekt mit dem Fraunhofer Institut zur Entwicklung eines neuen Borstenmaterials schon eher.

Auf Marktveränderung reagieren

Auch in Todtnau ist klar: Der Markt ändert sich. Da ist dann schon einmal eine Serie im Angebot, bei der der letzte Schliff fehlt und die Kommunikation rund um die Produkte wird, auch im B2B-Bereich, eine andere. „Nicht nur die Bestellmöglichkeit eines Produktes muss mit einem Klick gegeben sein, auch die gesamte Information zu einem Produkt und dem Unternehmen dahinter muss ohne Rechercheaufwand verfügbar sein“, beschreibt Jasmin Keller die Situation. Und das ist nicht allein bei Endkunden der Fall, sondern, so die Erfahrungen, auch zunehmend im B2B-Umfeld. Eine Veränderung der Kommunikation mit plakativer Bildsprache und Nutzung der wichtigsten Social Media-Kanäle ist die logische Folge. „Eine Bürste, die in Asien produziert wird, bürstet letztendlich auch“, sagt Jasmin Keller, „deshalb müssen wir auf einen Blick deutlich machen, was hinter unserem Produkt steht.“ Dass die Werte und die Qualität bei vielen Kunden und Anwenderinnen und Anwendern hoch im Kurs stehen, ist dabei die Grundlage für die Philosophie.

Ein Blick in die Hölzerei, in der die Bürstenkörper gefertigt werden.

Die Marktsituation hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Produktion in Todtnau. Die kontinuierliche Automatisierung macht es letztendlich möglich, am Standort weiter zu produzieren. Dabei hilft die enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten der Produktionstechnik ebenso weiter wie das Know-how der eigenen Mitarbeitenden, die immer wieder Impulse für die Weiterentwicklung der Fertigungstechnik liefern. Dabei werden die Mitarbeitenden mehr und mehr zu Kontrolleuren der Fertigung, da die Prozesse immer weiter automatisiert werden. Die Stellen zu besetzen, macht dies nicht unbedingt einfacher. Bei Keller arbeiten in der Produktion – aber auch an anderen Stellen – viele Mitarbeitende mit Migrationshintergrund, nicht zuletzt, weil diese Arbeiten von anderen nicht ausgeführt werden wollen. „Wir investieren sehr viel in unsere Mitarbeitende, selbst dann, wenn wir abschätzen können, dass sie nicht bei uns bleiben“, sagt Jasmin Keller. Deshalb sind in der Belegschaft auch „gestruggelte“ Menschen zu finden, die hier eine Chance bekommen, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. „Die unternehmerische Verantwortung ist vielfältig und diese Aspekte gehören für uns eindeutig dazu“, betont Jasmin Keller. Dass das Unternehmen dafür eine hohe Anerkennung in der Region erfährt, ist ein Nebeneffekt, der sich auch an anderer Stelle positiv niederschlägt.

Nur noch mit Zertifikat?

Bei ihren Maßnahmen aber auch bei den Zertifikaten geht es den Kellers darum, die Umwelt, das eigene Unternehmen und die Mitarbeitenden weiterzubringen. „Dem Vorschlag eines Kunden, ‚man könne doch einfach kompensieren‘, sind wir nicht nachgekommen“, berichtet Jasmin Keller, „da uns dabei die Ernsthaftigkeit fehlt. Jedes Produkt ist in gewissem Grad umweltbelastend und wir wollen versuchen, diese Belastung so weit wie möglich zu reduzieren, ein Kompensieren hilft dabei nur bedingt weiter.“

Vielleicht auch deshalb gehören die Todtnauer zu einer Gruppe von 18 Unternehmen in Deutschland, die an einem Pilotprojekt zur Bewertung des ökologischen Fußabdrucks des einzelnen Produktes teilnehmen. Dafür wird mit großem Aufwand die Gesamtbilanz von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion inklusive aller dabei aufgewendeter Energie sowie für das Einbringen in den Markt bis hin zur Nutzung und Entsorgung erfasst. „Dazu gehört auch, dass wir die Arbeitswege unserer Mitarbeitenden erfassen, denn diese gehören auch zur Gesamtbilanz eines Produktes“, so Johannes Keller. Was anfangs ein wenig Verunsicherung bei den Mitarbeitenden auslöste, obwohl sie mit Audits bereits des öfteren zu tun hatten, ist jetzt zu einem gemeinsamen Unternehmensprojekt geworden. Zu diesem, vom BMWK geförderten Projekt, kam Keller über die Energieagentur, mit der der Bürstenhersteller bereits mehrere Projekte zur Energieeinsparung und Energiegewinnung durchgeführt hat. Zu den Zertifikaten kam die Keller Bürsten GmbH über den Zukauf einer Bürstenproduktion in Todtnau aus einem insolventen Konzern. Der größte Kunde dieser Fertigung machte den Nachweis einer nachhaltigen Produktion zur Bedingung zur weiteren Abnahme. Damit wurde, was lange in Schwarzwälder Tradition in der Produktion selbstverständlich war, mit einem Zertifikat belegt. Heute fragen insbesondere große Kunden gezielt nach der Bestätigung in Form von Zertifizierungen.

Aktuell beschäftigt sich Keller neben der Energie- und Ressourcenerfassung auch, dies aber hausintern, mit der Erfassung der Arbeitszeiten und der Produktivität der Mitarbeitenden. Denn nach einer Testphase der 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich soll jetzt in einer über mehr als zwölf Monaten angelegten Analyse festgestellt werden, ob dieser Weg für eine Produktion in Deutschland gangbar ist. Einen ersten Effekt hat diese Maßnahme bereits: Keller, ohnehin als Arbeitgeber in der Region ausgesprochen wichtig und attraktiv, erhält dadurch eine breitere Basis für die Auswahl von Mitarbeitenden.

Bürsten für unterschiedliche Einsatzzwecke: die Auto-Cockpit-Bürste, die Mehrzweck-Staub-Bürste und „Sharky“ zur Entfernung von Sand an den Füßen nach dem Strandbesuch oder dem Sandkasten.

Die Keller Bürsten GmbH zeigt mit ihrer klaren Philosophie und Werteorientierung, dass eine Produktion von hochpreisigen Produkten in Deutschland nach wie vor möglich ist. Dafür ist eine klare Linie und Engagement notwendig, auch Wege zu gehen, die keinen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil erzeugen. „Manchmal halten uns die Leute für ein wenig verrückt“, sagt Jasmin Keller. Aber das muss man vielleicht heute sein.

www.keller-buersten.de

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