Die Maschine ist persönlicher

Die Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz und die Möglichkeiten, diese in Prozesse in Unternehmen einzubinden, werden derzeit intensiv diskutiert. Die Zukunftsszenarien reichen von paradiesischen Zuständen auf der einen bis hin zu Schreckensbildern auf der anderen Seite. Für den Bereich der Kommunikation hat Prof. Dr. Peter Gentsch von der Hochschule in Aalen zwei Studien durchgeführt, die die Customer Journey in den Blick nehmen und reale Posts von Unternehmen mit künstlich erzeugten Posts vergleichen. Wir sprachen mit ihm über die Studienergebnisse.

Prof. Dr. Peter Gentsch (Foto: Gentsch)

In einer ersten Studie „Mensch gegen Maschine“ haben Gentsch und seine Mitarbeitenden Posts aus Sozialen Medien und Websites von sechs internationalen Konzernen als Basis verwendet, die von Menschen erstellt wurden. Für den Vergleich wurde GPT mit den Themen gefüttert, so dass inhaltlich gleiche Posts durch die Maschine erstellt werden konnten. Daneben wurde das gleiche Vorgehen auf Websites angewendet. Die Unterschiede zur zweiten Studie, die vor einigen Wochen veröffentlicht wurde: Hier stand die gesamte Customer Journey im Blickpunkt der Untersuchung, von der Themenfindung bis zur Umsetzung. Und: Bei dieser Studio kam bereits die neue GPT-Version, GPT4, zum Einsatz.

Bei beiden Studien wurden die analog und die maschinell erstellten Posts 1.000 Personen vorgelegt, selbstverständlich ohne eine Zuordnung zu geben. Mit Hilfe des sogenannten Flash Index, der die Lesbarkeit von Texten analysiert, sollten die Befragten die Texte bewerten. Das Ergebnis in beiden Fällen: Die von der künstlichen Intelligenz erstellten Texte wurden durchweg als einfacher lesbar sowie auch als persönlicher und empathischer eingestuft. „In dieser Deutlichkeit haben wir die Unterschiede, die sich vor allem in der zweiten Studie gezeigt haben, nicht erwartet“, kommentiert Prof. Dr. Gentsch die Ergebnisse. Die Unterschiede tun sich dabei nicht allein im sprachlichen Bereich auf, die Studie hat auch die begleitenden Bilder in der Customer Journey durch die KI erstellen lassen – mit dem gleichen Ergebnis.

Die umfangreichere zweite Studie ging aber noch einen Schritt weiter: Neben der Customer Journey entstanden nach dem gleichen Verfahren auch Bewerbungsposts, bei denen ebenfalls die artifiziell erzeugten mehr überzeugen konnten. „Die Wertung trifft also nicht nur beim Marketing zu, sondern auch für den Bereich HR“, so Gentsch. Der Vergleich der beiden Studien, die im Abstand von einigen Monaten durchgeführt wurden, zeigt zudem eine deutliche Qualitätssteigerung zwischen den GPT-Versionen, die von Gentsch eher als Qualitätssprung bezeichnet wird. Darunter fällt auch die deutlich bessere Beherrschung der deutschen Sprache, aber auch die angesprochene Bildbearbeitung und der Variantenreichtum.

Die Maschine ist kreativ

Während sich die erste Studie im Wesentlichen mit der Erstellung von Content beschäftigt hat, wurde in der zweiten Studie auch die Vorstufe, die Creation untersucht. Dies galt bislang als Domäne des Menschen, der aufgrund von Google- oder Twitter-Trends die Inhalte für den zu erstellenden Content kreierte. „Inzwischen lässt sich die KI auch einsetzen, um die Ideen zu entwickeln“, beschreibt Prof. Dr. Gentsch den aktuellen Status. „Allerdings“, so schränkt er ein, „ist dies eine Kreativität, die auf einer Unmenge von Daten beruht und nicht direkt Neues entwickelt, es ist sozusagen eine Illusion von Kreativität. Der Geistesblitz unter der morgendlichen Dusche ist definitiv etwas anderes.“ Für den KI-Experten ist damit eine große Abhängigkeit vom Prompting, der Kommunikation mit der Maschine, gegeben. Die Vorgaben an die Maschine entscheiden über die Qualität des Ergebnisses, oder, so Gentsch, „Prompting ist das neue Schreiben.“

Standardarbeiten werden künstlich

Aber auch hier weiß sich die KI inzwischen immer besser zu helfen. Die Qualität des Self-Promptings ist beim sogenannten AutoGPT so hoch, dass die Maschine auch die Themenvorgabe und das eigene Füttern übernimmt. „Galt bislang, dass das Ergebnis immer nur so gut ist wie der Input, der vom Menschen kommt“, fasst Prof. Dr. Peter Gentsch zusammen, „so ändert sich auch dieser Faktor immer mehr. Die Wertschöpfung wandert sukzessive in immer höhere Bereiche ab.“

Dass Standardarbeiten, wie sie in den beiden Studien untersucht wurden, immer mehr von Künstlicher Intelligenz durchgeführt und automatisiert abgearbeitet werden, ist für den KI-Experten keine Frage mehr: „Im Bereich des Commodity Contents ist die KI dem Menschen inzwischen überlegen.“ Bereits heute wird die KI von Unternehmen im Bereich des E-Commerce und der Social Media-Kommunikation eingesetzt, um Produktbeschreibungen oder Posts zu erstellen. Besonders gut funktioniert dies, wenn beispielsweise als Themengenerator auf Customer Reviews zurückgegriffen wird – von der Maschine. „So werden automatisch Texte generiert, die die Kundensicht als Basis haben. Gleichzeitig werden diese auch noch SEO-optimiert“, berichtet Gentsch, „das funktioniert sensationell gut.“ Das Ergebnis: immense Effizienzvorteile und zum ersten Mal das Gefühl für die betroffenen Abteilungen, den Workload in den Griff zu bekommen.

Beim genannten Beispiel, es handelt sich um billiger.de, werden die automatisch generierten Texte bei gewissen Schwellenwerten noch von Menschen überprüft und eventuell angepasst. Insgesamt konnte so der Aufwand um 80 Prozent reduziert werden.

Die Frage der Authentizität

Bei aller kreativen Leistungsfähigkeit der neuesten GPT-Version bleibt die Ressource, aus der diese Kreativität kommt, ein, wenn auch riesiger, Datenpool. Wenn nun der Input identisch ist, so wird sich auch bei den Ergebnissen eine Vergleichbarkeit einstellen. Um einen authentischen und unverwechselbaren Stil zu entwickeln, wird es also nach wie vor sinnvoll sein, den menschlichen Faktor in die Arbeit der Künstlichen Intelligenz einzubinden, wie das genannte Beispiel zeigt.

Gänzlich Neues zu entwickeln, bleibt ebenfalls der menschlichen Redaktion vorbehalten. Ob es sich um eine individuelle Themenarchitektur, Essays oder Reportagen handelt, hier wird, aus heutiger Sicht, auch zukünftig die menschliche Handschrift zu finden sein.

Nie war der Einstieg einfacher

Um als Unternehmen mit der Automatisierung des Contents und anderer Bereiche zu starten, rät Prof. Dr. Peter Gentsch dazu, sich die Prozesse im Haus vorzunehmen und zu analysieren, was sich einerseits automatisieren lässt und was man anderseits automatisieren möchte. Aus seiner Sicht war der Einstieg beispielsweise über ChatGPT bislang nie so niedrigschwellig wie heute: Die Standardversion ist kostenlos, die professionelle Variante GPT-4 für 20 Dollar im Monat zu haben. „Um sich einen Playground zu schaffen, reicht dies zunächst aus“, so Gentsch. Die Entscheidung, weiter zu machen, kann dann auf Basis der gemachten Erfahrungen getroffen werden.

Gerade für kleinere Unternehmen sieht der KI-Experte und Unternehmensberater große Chancen, fehlende Manpower auszugleichen. Für ihn sind Mut und Neugierde die ausschlaggebenden Faktoren, die für die Nutzung der Technologie erfolgsentscheidend sind – und die Geschwindigkeit: „Die Technik wird zum neuen Betriebssystem und die Veränderungen werden über die Dimensionen von Betriebssystemen und Plattformökonomien hinausgehen“, ist seine Prognose, die nicht allein unternehmerische Entscheidungen sondern auch gesellschaftliche Prozesse einschließt. „Unser Tempo wird für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein“, so Gentsch. Fasten seat belts!

Austausch erwünscht?

Zur Erörterung von strategischen Fragen zur Umsetzung, der Entwicklung sicherer Anwendungslösungen und Geschäftsstrategien sowie mit der ganz praktischen Transformation der neuen Technologie für den europäischen Markt beschäftigt sich AI Foundation. Die Initiative ist ein neu gegründeter Expertenkreis aus namhaften, international tätigen Unternehmen, die vom KI-Experten und Unternehmer Prof. Dr. Peter Gentsch und dem Wissenschaftler Prof. Dr. Christian Au ins Leben gerufen wurde. Weitere Informationen unter https://generative-ai.group.

(Text aus ProfiBörse 3/23)

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