Digitalisierte Unternehmen ziehen im Wettbewerb davon

In Deutschlands Unternehmen wächst die Sorge, den Anschluss an ihre digitalen Wettbewerber zu verlieren. Das ist das Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. 87 Prozent sind überzeugt, dass die Nutzung digitaler Technologien eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft spielt, zugleich beklagen 76 Prozent, dass deutsche Unternehmen digitale Technologien zu wenig einsetzen.

Eine deutliche Mehrheit (60 Prozent) der Unternehmen sieht aktuell Wettbewerber voraus, die frühzeitig auf die Digitalisierung gesetzt haben. Das ist ein Spitzenwert. Vor einem Jahr sahen erst 52 Prozent der Unternehmen ihre digitalen Wettbewerber davonziehen, vor fünf Jahren waren es sogar erst 37 Prozent. Das eigene Unternehmen halten derzeit zwei Drittel (64 Prozent) für einen Nachzügler bei der Digitalisierung, ein Drittel (35 Prozent) sieht sich als Vorreiter. In der repräsentativen Befragung wurden 602 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland befragt.

(Abb.: Bitkom)

Dass deutsche Unternehmen digitale Technologien zu wenig einsetzen, zeigt sich auch beim aktuellen Top-Thema Künstliche Intelligenz. Rund drei Viertel (72 Prozent) gehen davon aus, dass KI eine große Bedeutung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat, aber nur 15 Prozent nutzen KI im eigenen Unternehmen. Dabei haben ChatGPT und generative KI in sieben von zehn Unternehmen (71 Prozent) die unternehmensinterne Diskussion zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz beeinflusst. „Die Unternehmen haben die Bedeutung der Digitalisierung für die eigene Zukunft erkannt. Sie wissen aber offenbar nicht, wie sie die Digitalisierung angehen sollen. „Für jedes einzelne Unternehmen wie für die deutsche Wirtschaft insgesamt muss es heißen: Die 2020er Jahre zur digitalen Dekade machen“, fordert der neue Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst anlässlich der Vorstellung der Studie. „In der Vergangenheit war Deutschland das Land der Dichter und Denker. In Zukunft muss Deutschland das Land der Dichter, Denker und Digitalisierer sein.“

So groß die Einigkeit bei der Einschätzung der Digitalisierung insgesamt auch ist, so weit gehen die Meinungen bei Künstlicher Intelligenz auseinander. 54 Prozent sind sich sicher, dass KI die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern wird, aber 44 Prozent sehen eine solche Entwicklung nicht. 49 Prozent gehen davon aus, dass Unternehmen, die KI frühzeitig einsetzen, dadurch einen Wettbewerbsvorteil gewinnen – 44 Prozent glauben dies jedoch nicht. „Wohl noch nie gab es eine Phase, in der so viele neue Technologien so rasend schnell zum Einsatz kamen. Jede und jeder kann die Einsatzfelder der KI selbst ausprobieren, fast täglich lesen und hören wir von neuen, spektakulären Entwicklungen“, sagt Wintergerst. „Der Einstieg in die KI wird immer leichter und einfacher. Vom Handwerksbetrieb bis zum Milliardenkonzern: Sinnvolle Einsatzszenarien gibt es für KI ausnahmslos überall.“

Die Chancen von KI-Anwendungen im eigenen Unternehmen werden von vielen Unternehmen dennoch aktuell eher zurückhaltend bewertet. Ein knappes Drittel (32 Prozent) sieht in KI sogar eher ein Risiko denn eine Chance für das eigene Unternehmen. Immerhin 45 Prozent sagen, dass sich mit KI Kosten einsparen lassen. 41 Prozent meinen, durch KI die bestehende Fachkräftelücke zumindest teilweise schließen zu können. Gut jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) sieht in KI eine Möglichkeit, gänzlich neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. 

Zu viele Unternehmen wollen KI-Einsatz auf die lange Bank schieben

Unternehmen, die bislang keine KI verwenden, wollen daran so schnell auch nichts ändern. 16 Prozent meinen, dass KI für sie nie relevant sein wird, 25 Prozent gehen davon aus, KI erst in mehr als 20 Jahren einzusetzen, 29 Prozent erwarten den Einsatz in einer eher fernen Zukunft in zehn bis 20 Jahren. Im kommenden Jahr will dagegen nur ein Prozent KI einführen. Wintergerst: „Das Bild von KI sollte sich in den kommenden Monaten verändern. KI kann einen enormen Innovations- und Effizienzschub auslösen. Je mehr KI-Anwendungen auf den Markt kommen, desto mehr Unternehmen sollten und – das ist meine Hoffnung – werden sie sich zu Nutze machen.“

(Abb.: Bitkom)

Dabei ist KI nicht die einzige Technologie, bei der es eine Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Bedeutung für die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit und dem Einsatz im eigenen Unternehmen gibt. So sprechen 92 Prozent der Unternehmen Datenanalysen und Big Data eine große Bedeutung zu, aber nur 39 Prozent setzen sie ein. Robotik halten 86 Prozent für bedeutsam, doch nur 40 Prozent nutzen die Technologie. Ähnlich sieht es aus beim Internet of Things (84 Prozent große Bedeutung, 36 Prozent Einsatz), 5G (82 Prozent zu 23 Prozent), autonomen Fahrzeugen (76 Prozent zu 17 Prozent), 3D-Druck (74 Prozent zu 23 Prozent) sowie Virtual und Augmented Reality (67 Prozent zu 24 Prozent). Und bei neueren Technologien ist der Einsatz noch deutlich seltener: So nutzen gerade einmal vier Prozent Blockchain-Technologie, obwohl ihr 67 Prozent eine große Bedeutung zusprechen. Und praktisch kein Unternehmen setzt Metaverse-Technologien selbst ein (ein Prozent), obwohl immerhin 36 Prozent ihnen eine große Bedeutung zuschreiben. „Wir müssen Deutschland in der digitalen Wirtschaft herausragend gut positionieren. Wir brauchen mehr Mut zum Digitalen, auch in den Unternehmen“, so Wintergerst.

Die Unternehmen spielen den Ball zurück und sehen Hindernisse für den Einsatz neuer Technologien nicht nur bei sich selbst, sondern ebenso in der Politik und in der Gesellschaft. So hat sich in 54 Prozent der Unternehmen der Eindruck verfestigt, dass die Politik versuche, den Einsatz digitaler Technologien eher zu verhindern als zu fördern. 52 Prozent meinen, dass die deutsche Bevölkerung bei neuen Technologien zunächst immer skeptisch sei. Und 46 Prozent erleben, dass im eigenen Unternehmen eher über Risiken digitaler Technologien als über Chancen diskutiert wird.

Zumindest an einigen Stellen im eigenen Unternehmen wird versucht, die Weichen auf digital zu stellen. So gibt es nur noch in elf Prozent der Unternehmen keinerlei Digitalstrategie. Vor einem Jahr galt das noch für 13 Prozent, 2019 sogar für 26 Prozent. Zugleich haben aktuell 55 Prozent zumindest in einem oder mehreren Unternehmensbereichen eine Digitalstrategie, 32 Prozent besitzen eine unternehmensweite Strategie. „Viele Unternehmen führen offensichtlich zunächst eine Teilstrategie für die Digitalisierung ein, bleiben dort aber stehen, so dass es keine digitalstrategische Positionierung für das Unternehmen insgesamt gibt. Sinnvoll wäre, wenn so gut wie alle Unternehmen eine digitale Vision und Gesamtstrategie entwickeln würden“, so Wintergerst.

www.bitkom.org

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