Ja zur Veränderung

In der 175-jährigen Geschichte hat sich die Friedrich Platt GmbH immer wieder auf technische und gesellschaftliche Veränderungen einstellen müssen. Das hat, neben den damit verbundenen Herausforderungen das Unternehmen sensibel für Trends und Entwicklungen gehalten und die Anpassungsfähigkeit erhalten. Über die Historie und heutige Aufgabenstellungen sprachen wir mit Dr. Urte Rietdorf, Geschäftsführerin der Friedrich Platt GmbH in Eberbach.

Ihr Unternehmen feiert das 175-jährige Jubiläum. Wie stellten sich die Anfänge dar, befindet sich das Unternehmen nach wie vor im Familienbesitz?

Ja, 175 Jahre. Damit sind wir, soweit ich weiß, Eberbachs ältestes Unternehmen. Zur Gründung existierte noch das Großherzogtum Baden. Und nach wie vor befindet es sich im Familienbesitz, mittlerweile mit in der sechsten Generation.
Gegründet wurde das Unternehmen 1849 von Friedrich Georg Platt. Er griff die Idee aus Lahr im Schwarzwald auf, Krollhaare wie Seile herzustellen. Krollhaare sind die kürzeren Bestandteile von Rosshaaren, die, so aufbereitet, dann zur Polsterung von Sofas, Kissen, Sesseln und Matratzen verwendet wurden. Aber auch für alle möglichen andere Dinge die gepolstert oder isoliert besser waren als ohne, wie z.B. Reitersättel.

Feiern in Erbach: Das älteste Unternehmen am Ort wurde 175 Jahre.

Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Meilensteine in der Firmenhistorie?

175 Jahre sind ein Zeitraum in dem sich die Welt mehrfach grundlegend geändert hat und ständige Anpassungen erforderte. Diese fanden kontinuierlich statt. Also sehr agil. Durch die Jahrzehnte verschwanden Rosshaare langsam fast vollständig aus der Möbelpolsterung, und Pferde waren auch irgendwann nicht mehr das hauptsächliche Fortbewegungsmittel der ersten Wahl. Weder im individuellen Straßenverkehr, noch in der Industrie. Daher erweiterte sich unser Produktportfolio in diesem Bereich um Haare, Borsten und Fasern anderer Tiere und Pflanzen. In den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Haarzurichterei für Besen und Bürsten als eigene Abteilung ausgebaut. Daraus entwickelte sich dann durch die Jahrzehnte die Haarzurichterei mit ihren vielfältigen unterschiedlichen Anforderungen. Vom Richten über Schlitzen, Spitzen und Mischen mit den unterschiedlichsten Materialien, wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts diverse Maschinen angeschafft und entwickelt, die diese Prozesse automatisierten. Zu den unterschiedlichen Materialien kamen so etwa ab den 60er und 70er Jahren auch immer mehr Kunststoffe hinzu und setzten sich zunehmend durch, sowie Pinselkitt. Die Rosshaare wurden in der Rosshaarspinnerei bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein noch parallel versponnen.
Kunststoffe, die als Filamente den Markt der Pinsel, Besen und Bürsten ab Ende des letzten Jahrhunderts sichtbar veränderten und substituierten, haben in der Möbel- und Polsterindustrie hingegen schon viel früher zu einem Wandelt geführt: In der Möblelpolsterung verschwanden Rosshaare im 20. Jahrhunderts sehr schnell. Naturfasern für Futons oder Kautschuk für Latexmatratzen kamen zwar auch auf den Markt, hauptsächlich eingesetzt wurde und wird als Polstermaterial aber Schaumstoff. Bereits 1963 begann unser Unternehmen daher mit ersten Formpolstern. Ein Bereich, der kontinuierlich wuchs und für den Mitte der 80er Jahre die erste CNC-Maschine angeschafft werden konnte. Der Bereich computergestützten Entwicklung wurde in den kommenden Jahrzehnten zunehmend ausgebaut. Die Konstruktion auch komplexer Formen und verschiedener Teile erlaubt so den Einsatz in einem sehr weiten Spektrum.

Hat sich in der Firmenhistorie die Ausrichtung des Leistungsspektrums oder die Zielgruppenausrichtung verändert? Wenn ja, warum?

Oh die Frage ist wirklich sehr gut. Unsere ständigen „Ja“s zur Veränderung führten dazu, dass unser Leistungsspektrum und unsere Zielgruppenausrichtung – gemessen jeweils am gesellschaftlichen Leben seiner Zeit – mit der kontinuierlichen Adaption beständig bleiben konnte. Wenngleich natürlich fast nichts mehr so ist wie es war. Aus Pferdesätteln wurden im Wandel der Zeit Autositze. Aus Kutschenpolstern Suiten und Betten für Kreuzfahrtschiffe. Zum klassischen Besen kam der Staubsaugerroboter hinzu. Entsprechend dieser veränderten Zielgruppenausrichtungen passt sich unser Leistungsspektrum immer wieder an. Ohne diese Agilität würde es nicht gehen. Wir müssen immer das bewährte Alte bewahren und offen für das Neue sein. Zwischen Tradition und Zukunft. Die Welt ist globaler geworden, die Sektoren breiter. Die Gesellschaft ist im ständigen Wandel und wir wandeln uns mit.

Wie würden Sie die aktuellen Kernkompetenzen des Unternehmens beschreiben?

Nach wie vor agieren wir im Comfort-Sektor mit Matratzen, Sofas, Stühlen. Zum Isolieren, weich Polstern, auftragen und abtragen. In der Industrie für Verpackungen genauso wie im Medizinbereich für den Therapiebedarf im Sportsektor zum Abfedern oder in der Logistik für den Transport. In der Haarzurichterei liegt unsere Kernkompetenz darin, Besatzmaterial und Pinselkit für Besen, Pinsel und Bürsten bereitzustellen und anzufertigen. Durch Aufbereiten, Schlitzen, Spitzen oder Mischungen und mit unterschiedlichen Rohstoffen von Tieren, Pflanzen und Kunststoffen. Je nach gewünschtem Einsatzgebiet. Egal ob für Bürsten um Handydisplays zu polieren, lebensmittelechte vegane Pinsel für Bäckereien, feinste Bürsten für den Medizinbedarf oder gröbere für Transportbänder.
Im Schaumstoffbereich konstruieren wir 3D-Teile nach spezifischem Kundenwunsch. Hier können wir mit unterschiedlichen CNC-Maschinen Formen zuschneiden, fräsen, schrägen und kleben um unterschiedliche Konstruktionen zu realisieren. Für riesige Sofalandschaften genau so wie für komplexe industrielle Anfertigungen oder Einzelteile. Für den Schulsport genauso wie für medizinischen Bedarf, Logistikunternehmen oder Möbelhersteller, Da gibt es auch immer wieder sehr spannende Einzelanfertigungen. Unsere Schaumstoffzuschnitte werden in sehr vielfältigen Bereichen eingesetzt.

DasTeam von von Friedrich Georg Platt nach der Unternehmensgründung. (Fotos: Friedrich Platt GmbH)

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen bzw. für den Branchenbereich, in dem Sie tätig sind?

Die Herausforderungen sind eigentlich die gleichen, denen sich unsere Gesellschaft als Ganzes stellen muss. Wir haben es zunehmend mit den Herausforderungen unserer alternden Bevölkerung zu tun, was sich natürlich immer stärker auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Die Verrentung geburtenstarker Jahrgänge und die Konkurrenz durch internationale Betriebe anderer Branchen. Neue Konzepte der Lebensplanung und neue Konzepte der Arbeitsgestaltung. Gleichzeitig merken wir, wie klimatische- und politische Veränderungen zunehmend Einfluss auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen und die Logistik hat.

180 Jahre ist der nächste runde Unternehmensgeburtstag, den man nicht so groß feiert, aber wo sehen Sie Ihr Unternehmen dann?

In fünf Jahren? Vor fünf Jahren hatten wir den Sommer 2019. Damals war die Welt eine ganz andere als sie es heute ist und es folgten durchaus herausfordernde Zeiten. Eine Vorhersage ist daher natürlich schwierig zu treffen. Aber davon ausgehend, dass keines der Ereignisse der letzten Jahre ganz aus dem Nichts kam, und wir vorher schon versucht hatten uns so gut es ging anzupassen, tun wir dies natürlich auch weiterhin. Nachhaltigkeit, New Work, die Möglichkeiten die uns auch gerade die Neuerungen in der KI-Entwicklung bieten, das alles sind Themen die uns beschäftigen. Wir stellen uns also den Herausforderungen unserer Zeit.

www.Friedrich-Platt.de

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